PROJEKT INFO
Improvisationsprojekt von Magdalena Inc.+
Reichenow/Berlin, Saarbrücken, Köln, 2002 Originaldauer ca. 50-60 Minuten Fotos: Ruth Hommelsheim
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„Slow Space“ setzt sich mit der Durchdringung und Verdichtung verschiedener Ausdrucksebenen auseinander. Geht es bei der vorhergehenden Produktion „Am Rande der Zeit“ um zeitliche Strukturen, so ist „Slow Space“ eine künstlerische Phänomenologie der Ausdrucksformen.
Das beinhaltet die Erkundung von Bewegungsabläufen, Stimmigkeiten und Resonanzen. Bei dieser improvisatorischen Arbeit wird der Augenblick als Material begriffen. Die Akteure setzen sich permanent dem Möglichen aus, um die Grenzen der jeweiligen Disziplin in Ausrichtung auf ihre Durchdringung und Öffnung zum Anderen hin zu überschreiten. Die Bewegung an der Schwelle zwischen Subjekt und Gruppe, zwischen Imitation und Kreation ist Movens eines ständigen Entdeckens von und Spielens mit Alterität und Differenz.
Das Aufführungskonzept von Magdalena Inc.+ legt bis auf den inszenierten Raum nichts fest. Improvisation ist hier nicht nur Form, sondern Inhalt. Für den Zuschauer bietet das die Möglichkeit, eine spannende Reise zu unternehmen - „auch wenn er erst beim Hinausgehen erfahren wird, an welche Orte sie ihn geführt hat...” |
Presse
2002 Magdalena Inc.+ / Slow Space
Training für geschärfte Antennen
Saarbrücker Zeitung, 29.7.2002
MIT DER PERFORMANCE SLOW SPACE" BEFLÜGELTEN DIE KÜNSTLER VON „MAGDALENA INC.+" DIE SINNE DER BESUCHER IM SAARLAND MUSEUM
Besser ist‘s alle Sinne zusammenzuhaben. Die Formation „Magdalena Inc+“ stellte mit Ihrer Performance die Wahrnehmungsfähigkeit ihrer Besucher auf die Probe. Experimentiert wurde mit Zeit und Raum.
Im ergiebigen Grenzland zwischen den Disziplinen - was böten sich da doch für spannende Möglichkeiten der Zusammenarbeit? Doch leider gehen in unserer Region die Kreativen des Sehens und des Hörens in der Regel getrennte Wege. In jüngster Zeit gibt es nun glücklicherweise Bestrebungen, die verschiedenen Künste zu bündeln. Ein gelungenes Beispiel zeigt die Formation „Magdalena Inc+“ am Sonntag im gut besuchten Saarland Museum: „Slow Space“ hieß Ihre Performance im Rahmen der Saarbrücker Sommermusik, die die Wahrnehmung auf die Probe stellte.
Magdalena Inc+ sind die beiden Medienkünstlerinnen und Performerinnen Walli Höfinger und Christiane Hommelsheim, die an der Saar-Hochschule der Bildenden Künste studierten, und die Fotokünstlerin Ruth Hommelsheim sowie der Musiker und Komponist Christopher Dell.
Wie der Titel „Slow Space“, verlangsamter Raum verrät, spielen die vier mit den Parametern Zeit und Raum. Dabei werden bereits vorproduzierte Bilder und Klänge mit Bewegungen, Worten und Tönen kombiniert, die aktuell improvisiert werden. Dabei betätigen sich die Protagonisten nicht nur als Sprecher und Sänger, sondern auch als Darsteller und expressive Tänzer, die mal mit Grazie von Ballett-Elfen den Raum durchschreiten, mal in Zeitlupe sich wurmartig über den Boden winden.
Und ob nun Gesang, Darstellung oder Bewegung, alle Disziplinen werden hier souverän beherrscht. Ein Lob für die Vielfältigkeit. Eine zentrale Rolle spielt freilich die Verfremdung mittels Technik: Sprache wird durch Echos vervielfältigt und verewigt. und somit die Echtzeit gedehnt - die Bewegungen einer Hand auf der in der Mitte des Raums postierten Leinwand vergrößert. Hier dient die Leinwand als Blickfang, die auch die Silhouetten der Akteure zeigt, sie mit vorproduzierten Dia-Bildern mischt. Das Ganze verfremdet durch Scheinwerferlicht und untermalt von Computermusik, deren pulsierende Signale durch Handbewegungen spontan ausgelöst werden.
Ein perfekt inszenierter Rausch für die Sinne, der sich freilich durch das Vorherrschen der Langsamkeit grundlegend von unserer heutigen Bildschirmwelt unterscheidet und einen zunächst in eine Art Trance versetzt. Doch dann beschleunigen und verdichten sich die Eindrücke, passieren immer mehr merkwürdige Dinge, die den rein ästhetischen Genuss stören: Die Protagonisten geraten in Konflikte, rätselhafte Worte erscheinen auf der Leinwand. Und der Betrachter fragt sich in wachsendem Maße nach dem tieferen Sinn. Klar, irgendwie geht es darum, hinter (die) Dinge zu blicken, mittels Ent-Täuschung neue Wahrheiten zu entdecken. Vielleicht auch durch das Aufstoßen von Türen Freiheiten zu gewinnen, die dann freilich doch illusorisch sein könnten; „Fliegt. Aber sie hielten sich am Felsen fest,“ so der bedeutungsschwangere Schlußsatz, der einen aus dem Dunkel des Raumes entließ.
Fragen über Fragen. Letzlich hat jeder eine andere Geschichte, eine andere Wahrheit gesehen. Aber das Darüber-Nachdenken, das Infrage-Stellen von Wahrnehmung, das ist doch schon etwas - und so ging man mit geschärften Antennen nach Hause.